Interview mit dem Kampfkunstlehrer G. M. Knauer in München*Interview with martial arts teacher G. M. Knauer in Munich*
Meine erste Berührung mit Kampfkunst. Ich bin in den Genuss gekommen in der Kampfkunst schule Ajahn Lao in München nach einem Aufwärmtraining mit dem Meister Lao persönlich eine Privatstunde Tai Chi von G. M. Knauer zu erleben.
Ich bin sicherlich kein Naturtalent, da ich eher zu ungeduldigen Sorte Mensch gehöre. Die langsamen, kontrollierten Bewegungsabläufe waren eine Herausforderung für mich. Und natürlich klappt das auch nicht beim ersten mal. Es ist eine Kunst die über jahrelanges trainieren erlernt, verinnerlicht und gelebt werden kann: Die Kampfkunst. Das gilt natürlich nicht nur für Tai Chi, sondern auch für Kung Fu, Qi Gong und Muay Thai.
Meine Tai Chi Stunde hat mich fasziniert und Fragen aufgeworfen. Fragen bezüglich der Kampfkunst im Allgemeinen und auch Fragen bezüglich der Kampfkunstschule Ajahn Lao, denn dort herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Der Lehrer G.M. Knauer beantwortet mir diese Fragen. Denn er setzt sich seit bereits 9 Jahren mit der Kampfkunst intensiv auseinander, ist Kung Fu, Tai Chi und Qi Gong Lehrer und auf dem Weg zum Kung Fu Meister. Das hat er alles in der Kampfkunstschule Ajahn Lao gelernt.
Wie bist du überhaupt zur Kampfkunst gekommen?
2005 bin ich als Novize aus einem Benediktinerkloster ausgetreten, denn innerlich war ich bereits in den letzten Monaten dort zum Zen-Buddhismus konvertiert. Aufgrund von vielem Lesen stellte ich fest, dass die Wurzel von Zen und Kung Fu dieselbe ist: der Gründer Bodhidharma, ein indischer Mönch, der im 6. Jahrhundert von Indien nach China gegangen ist.
Als ich dann wieder nach München kam, habe ich nach einer Schule gesucht, die Kung Fu nicht so sehr als Wettkampfdisziplin oder als reinen Sport anbietet, sondern als spirituelle Kampfkunst. Ich hatte dann das immense Glück Meister Lao in seiner Kampfkunstschule Ajahn Lao in München zu finden, der als ehemaliger thailändischer Mönch das noch genau so unterrichtet, wie ich mir das erhofft hatte.
Wie empfindest du die Unterschiede von Kung Fu zu anderen Kampfkünsten?
Erstmal schätze ich bei dem traditionellen Kung Fu, welches wir trainieren, dass es um die Imitation von Tierbewegungen geht, d.h. es ist auch ein sehr stark meditatives Element enthalten, indem du versuchst, dich in die Energie und Bewegungsweise von den einzelnen Tieren einzufühlen. Ich schätze auch sehr, dass es sehr komplex ist. Ich habe das Gefühl, dass viele Kampfkünste sehr einseitig sind, was sie für die reine Anwendung erstmal effektiver macht, als unseren Stil, weil weniger Techniken geübt werden, die aber dafür sehr intensiv. Das kann daher schneller im Kampf eingesetzt werden als im Süa Lag Hang (so heißt unser Stil). Wir lernen sehr viele einzelne Formen. Aber gerade diese Komplexität und diesen Reichtum schätze ich sehr. Man lernt viel kennen und kann sich dann nach dann nach einigen Jahren ein Bild davon machen, was einem am Besten liegt und anfangen sich zu spezialisieren.
Was unterscheidet die Kampfkunstschule Ajahn Lao von anderen Kampfkunstschulen?
Ganz klar die Atmosphäre. Die Atmosphäre ist bei uns überhaupt nicht vom Wettkampf geprägt, wir machen uns keinerlei Gedanken, ob wir bei einem Turnier in 2 Monaten jemand besiegen können oder dergleichen, noch haben wir wirklich ein Konkurrenzdenken untereinander. Bei uns ist der Stundenplan ganz klar gegliedert, es ist festgelegt was man in einem Jahr lernt und was für Bedingungen man erfüllen muss, um in die nächste Stufe, ins nächste Jahr aufzusteigen. D.h. es ist kein Raum für Willkür. Ich habe das an anderen Orten erlebt, dass der Meister manchen Schülern Formen zeigt, die andere wiederum nicht lernen dürfen. So etwas gibt es bei uns nicht. Ich schätze außerdem sehr den Respekt, den wir füreinander hegen. Wir wertschätzen, was die anderen in der Schule können. Es erzeugt keinesfalls ein Denken im Sinne von "ich will ihn im Kampf besiegen", sondern eine Geisteshaltung, von jenen Anleitung zu suchen, die einem voraus sind. Man hat nicht die Vorstellung, man müsse den anderen übertreffen, um für sich selber erfolgreich trainieren zu können.
Wie lange hast du gebraucht wirklich "rein" zukommen?
Das erste Erlebnis, dass ich das Gefühl hatte, ich bin nicht mehr nur noch am kämpfen wie ich die Bewegungen richtig mache und koordiniere, sondern dass es ein meditativer Fluss geworden ist, das war im zweiten Jahr. Aber so, dass es eine gewissen Souveränität bekommen hat, hat 5 Jahre gedauert. Ab dem 5. Jahr habe ich sozusagen Land gesehen. Seither beherrsche ich die Formen, lerne sie relativ schnell und die Bewegungen sitzen, aber es ist "work in progress". Ich bin weit davon entfernt mich als Profi zu sehen. Nach wie vor bin ich dabei und lerne in den Stunden dazu. Je weiter man kommt, desto mehr realisiert man die eigenen Defizite.
Wie viel trainierst du?
Es vergeht kaum ein Tag ganz ohne Training. Auch an Tagen wo ich nicht in der Kampfkunstschule bin, mache ich auch meistens noch was für mich. Meistens trainiere ich 6 Tage die Woche mindestens 4 Stunden am Tag (d. h. wenn ich die stille Meditation dazuzähle, was ich tue. Meditation und Kampfkunst sind in meinen Augen untrennbar verbunden), eher mehr, und gönne mir dann einen Tag Ruhe. Nach ein paar Monaten läuft es dann oftmals darauf hinaus, dass man das Bedürfnis hat nach einer etwas längeren Pause (sagen wir mal eine Woche), die gönne ich mir dann auch gerne.
Gibt es auch Schüler in der Kampfkunstschule, die weniger trainieren?
Ja natürlich, ich bin ja nicht nur Schüler, sondern auch Lehrer. Wenn man nur Schüler ist, hat man üblicherweise, wenn man nur eine Kampfkunst trainiert, 3 Termine die Woche. Bei mir wurde das ab dem 3. Jahr mehr, da habe ich dann noch Tai Chi dazu genommen.
Nach wie vielen Jahren hast du dich entschieden, dass du unterrichten möchtest?
Das habe ich nicht selbst entschieden, sondern Meister Lao. Er hat mich ab dem 6. Jahr gebeten ab und zu in einer Unterrichtsstunde den Lehrer zu vertreten. Ab dem 7. Jahr hat er mir dann fest Schüler zugeteilt.
Was sind die klassischen Beweggründe mit einer Kampfkunst zu beginnen?
Generell ist das sehr schwer zu sagen. Oftmals werden Wellen durch Filme ausgelöst. Als ich angefangen habe, war gerade kurz zuvor der Film Ong-Bak von Tony Jaa rausgekommen. Das ist ein Muay Thai Film mit tollen Action Szenen und viel Akrobatik. Und auf einmal wollten alle Muay Thai machen. Das verebbt aber dann schnell auch wieder.
Die meisten Leute, die kommen, wollen sich etwas Gutes tun, wollen fit werden. Diejenigen, die in die weichen Kampfkünste wie Tai Chi und Qi Gong gehen, wollen mehr zur Ruhe kommen und mehr zu sich selber finden. Leute die mit Kung Fu und Muay Thai anfangen suchen oft einen Fitnessaspekt.
Es gibt sehr viele verschiedene Motivationen. So wie es bei mir war, dass man aus einem explizit spirituellen Beweggrund kommt, ist eher selten.
Was ist der Unterschied zwischen Kung Fu und Muay Thai?
Kung Fu ist komplexer. Man lernt mehr Bewegungen und die Formen sind üblicherweise schwieriger als die Bewegungen im Muay Thai. Muay Thai ist sehr viel direkter, es gibt weniger Formen und es ist sehr viel anwendungsorientierter. Im Muay Thai wird mehr an Polstern trainiert, es werden mehr Partnertechniken geübt, während man im Kung Fu einfach nur damit beschäftig ist, diesen großen Reichtum an Formen, der angeboten wird, zu meistern.
Und was ist der Unterschied zu Tai Chi und Qi Gong?
Erst einmal wird im Tai Chi und Qi Gong nicht gekämpft. Besonders die Bewegungsabläufe im Tai Chi laufen ganz weich ab, während man im Kung Fu zwischen harten, weich-harten und weichen Stilen unterscheidet. Tai Chi und Qi Gong haben den Fokus mehr Innen, während der Fokus bei Kung Fu und Muay Thai eher erstmal darauf liegt, den Körper zu einem starken Grad beherrschen zu lernen. Da kommt der innere Aspekt erst sehr viel später hinzu. Eigentlich erst, wenn man den Körper so gut beherrscht, dass man die Formen ohne nachzudenken wirklich abspulen kann und dann in diesen inneren Prozess kommt.
Unterrichtest du eine der Kampfkünste besonders gerne?
Am angenehmsten zu unterrichten ist Qi Gong, weil man selber mitmachen kann und den Qi Fluss dann auch selber erlebt. Das fühlt sich dann natürlich besser an, als wenn man nur daneben steht und Schüler korrigiert. Das macht man im Kung Fu und Tai Chi meistens. Allerdings habe ich im Kung Fu den Eindruck, dass allgemein gesprochen der Motivationsgrad mit am höchsten ist. Die Schüler, die ein paar Jahre dabei bleiben, sind bereit, Energie zu investieren. Das ist wirklich schön zu sehen, wenn jemand wirklich viel Einsatz bringt und dann auch deutlich sichtbare Fortschritte macht. Das gibt es sicherlich in den anderen Kampfkünsten auch, nur ich habe das Gefühl die Dichte im Kung Fu ist etwas höher.
Was hältst du von Privatstunden außerhalb der Schule?
Das ist natürlich für den Schüler eine der effektivsten Möglichkeiten, zu lernen, da die Aufmerksamkeit des Lehrers ausschließlich bei ihm ist und das Risiko, daß der Lehrer einige seiner Fehler übersieht, weil er mit anderen Schülern beschäftigt ist, nicht gegeben ist. Andererseits entgeht einem natürlich auch die großartige Kameradschaft, die sich ab einem gewissen Zeitpunkt unter den Schülern einer Gruppe normalerweise einstellt.
Vielen Dank für das Gespräch.
*My first encounter with martial arts. I had the pleasure to experience a warm up training with Master Lao himself and a private lesson in Tai Chi with G. M. Knauer at the Kampfkunstschule Ajahn Lao in Munich.
I am certainly not a natural since I belong to a rather impatient sort of people. These slow, controlled sequences of movements were a challenge for me. And of course one won't succeed at the first attempt. It is an art which can only be learned, internalised and lived over the years: Martial art. Of course this doesn't only apply to Tai Chi but also to Kung Fu, Qi Gong and Muay Thai.
I was fascinated by this lessons and had many questions, questions regarding martial art in general and concerning the school of Ajahn (“Master”) Lao in particular for its atmosphere is very special indeed. The teacher G. M. Knauer has answered these questions. He has been in close contact with martial arts over the last nine years, teaches Kung Fu, Tai Chi and Qi Gong and is on the way to become a Kung Fu master. All this he has learned at the Kampfkunstschule Ajahn Lao.
How did you come to practice martial art?
In 2005 I left a Benedictian monastery where I had been a novice since in my heart I had already converted to Zen-Buddhism in my last few months there. Studying literature on Zen I realised that Zen and Kung Fu share the same root: The founding figure Bodhidharma, an Indian monk who went from India to China in the 6th. century.
When I got back to Munich I started looking for a school that teaches Kung Fu not only as a discipline for tournaments or mere sport but as a spiritual art. I got immensely lucky and found Master Lao and his school in Munich where he – as former Thai monk – teaches it in the exact manner I had been looking for.
How do you experience the difference of Kung Fu to other martial arts?
First, I highly appreciate that in traditional Kung Fu as practised in our school, we are imitating the movements of animals which means there is a strong meditative element to it since you try to develop a sense for the particular energy and style of movement of the respective animals. I also like that it's very complex. I get the impression that many martial arts are very one-sided which of course makes them initially more effective for practical application than our style since they practice fewer techniques but these quite intensely. Like this, you are of course sooner enabled to use them in combat than in Süa Lag Hang (the name of our style). We learn many separate forms. But I particularly like this complexity and richness of forms. Like this, you get to know a lot and after a few years can see for yourself what suits you best and begin to specialise.
What distinguishes the Kampfkunstschule Ajahn Lao from other martial arts schools?
Definitely the atmosphere. The atmosphere in our school isn't formed by competition, no one thinks about having to beat someone at a tournament in 2 months or something like that, we also do not compete among each other. The curriculum is structured very clearly, it is specified what you learn in one year and what you have to achieve to be allowed to pass on to the next stage, the next year. So there is no space for capriciousness. I've seen how in some schools the master will show some students certain forms which others aren't allowed to learn. You won't find a structure like that in our school. Furthermore, I appreciate the mutual respect we have for each other. I think I can speak for all of us when I say that we acknowledge the skills of the other people in the school. I don't feel there is a mindset “I want to beat him in combat” but much rather a spirit of seeking guidance from those who know things better than you. People seem to know that they don´t have to surpass other to be able to train successfully for themselves.
How long did it take you to really “get the gist” of it?
The first experience that I am no longer simply struggling to get the moves right and coordinate them correctly but falling into a sort of meditative flow happened in my second year. But it took me five years to get to a point where I had reached a certain sovereignty. Since the fifth year I feel I'm sort of over the hill: Back then it started that I felt I had a satisfying command of the forms, learned rather quickly and movements had become natural to me, but it's “work in progress”. Far be it from me to call myself a pro. I am still learning a lot in every lesson. The further you advance the more you realise your own deficiencies.
How much do you train?
There is hardly any day that passes completely without training. On a day when I'm not in the school I still practise for myself. Usually I train 6 days a week, for about 4 hours a day (that is, when I also count the practice of silent meditation, which I do. In my eyes, mediation and martial are in inseparable), sometimes more, then I treat myself to a day of rest. After a few months I often long for a longer pause (say about a week) which I usually gladly allow myself.
Are there also students in your martial arts school who train less?
Yes, of course, since I'm not only a student but also a teacher. As long as you are a mere student you usually have three lessons a week (if you´re only practising one martial art). For me that changed in the third year when I also started practising Tai Chi.
After how many years did you decide that you wanted to teach?
I haven't decided that at all. It was Master Lao's decision. Ever since my 6th. year he would ask me every now and then to substitute for other teachers and since the 7th. year he gave me classes of my own.
Which are the classical motives for starting to learn a martial art?
It's hard to generalise here. Sometimes a movie can cause a wave. When I started training in 2005, the movie Ong Bak with Tony Jaa had just come out. It's a Muay Thai movie with great action scenes and lots of acrobatics. Suddenly, everyone wanted to learn Muay Thai. But this usually subsides again fairly quickly.
Most people who come want to do something which is good for them and will help them get fit. Those who try the softer martial arts like Tai Chi or Qi Gong often want to find tranquility, get to know their inner self a little better. People who start with Kung Fu or Muay Thai often are attracted to the aspect of physical fitness they can find there.
Motivations are multifarious. My case, practising because of an explicitly spiritual motivation, is rather rare.
What's the difference between Kung Fu and Muay Thai?
Kung Fu is more complex. You learn more movements and the forms are usually more difficult than the movements in Muay Thai. Muay Thai is a lot more direct, there are less form and training is more application-oriented. In Muay Thai, you train more with pads, the focus is a lot more on partner-techniques while in Kung Fu you are quite busy mastering the great range of forms that is presented to you.
And what's the difference to Tai Chi and Qi Gong?
First, we don´t fight in Tai Chi and Qi Gong. Especially in Tai Chi, the sequences of movements are performed in a very soft fashion while in Kung Fu there is a difference between hard, soft-hard and soft styles. The focus in Tai Chi and Qi Gong is inward while in Kung Fu and Muay Thai you have to concentrate at first on controlling your body to a high degree. The internal aspect is introduced much later. Only when you can control your body well enough that you can truly reel off the forms without thinking you will be able to enter into this inner process.
Is there a discipline which you prefer to teach?
Teaching Qi Gong is the most pleasant since usually you also practice the forms together with the students and therefore experience the flow of Qi yourself which of course feels a lot better than only standing by and correcting the students (which is what you usually do in Tai Chi and Kung Fu). Generally speaking, I get the impression that the degree of motivation among the students is highest in Kung Fu, though. Students who stay for a few years are willing to invest a lot of energy. It is a joy to see when someone really makes an effort and is making perceivable progress. This you can find in the other disciplines as well, of course, but I think the density in Kung Fu is a little higher.
What do you think of private lessons outside the school?
Of course for a student that's one of the most effective ways to learn because the attention of the teacher is solely on him, the risk that the teacher will overlook some of his mistakes because he is busy with other students is nonexistent. On the other hand, one misses out on a great bonhomie which usually arises at some points among the students of a group.
Thanks for the interview.
Images by Nina von Siebert